Segel-WM in Brunnen – eine verrückte Idee oder eine Chance?
Vom 21. bis 25. August wird in Brunnen eine Segel-WM stattfinden. Christian Zuerrer vom OK räumt mit Vorurteilen übers Segeln auf. Interview: Ramona Schelbert und Thomas Bucheli.
Warum eine Segel-Elite Weltmeisterschaft ausgerechnet auf dem Urnersee?
Für mich bietet der Urnersee die besten Windbedingungen in der Schweiz. Mit der bekannten Thermik auf dem Urnersee kann am Mittag zur Wettfahrt gestartet werden. Bei einer Schlechtwetterlage kann man die Westwinde auf dem Gersauer Becken nutzen und hat somit zuverlässige Chancen, dass ein Wettkampf durchgeführt werden kann. Ausserdem bietet der See im Gegensatz zum Meer, wo der Wind im Verlaufe des Tages konstant in eine Richtung dreht, anspruchsvollere Windverhältnisse. Die Windböen aus den einzelnen Tälern und Winddreher versprechen spektakuläre Positionswechsel.
Ist es nicht eine verrückte Idee, auf dem beschaulichen Urnersee eine «Randsportart-WM» zu veranstalten?
Die Schweiz wurde gross und bekannt durch Menschen mit ihren verrückten Ideen: der Gotthardtunnel, der Reissverschluss, der Klettverschluss, die Tafelschokolade und natürlich das Schweizer Taschenmesser. Spätestens seit dem Alinghi-Sieg am America’s Cup, notabene die älteste Sporttrophäe der Welt, ist die Schweiz eine Segelnation. Der Austragungsort Brunnen bietet sich mit der Infrastruktur rund um den Auslandschweizerplatz perfekt an, die Bevölkerung an diesem einmaligen Event teilhaben zu lassen.
Aber die Zuschauenden sind nicht selbst auf dem See. Wie spannend ist ein Rennen aus der Ferne?
Wir werden auf dem Auslandschweizerplatz eine Leinwand platzieren, auf der man die Rennen live verfolgen kann. Es werden Stand heute keine Livebilder sein, da die Kosten dafür sehr hoch sind. Jede Yacht hat aber einen Sender an Bord, der die Position live auf ein Trackingsystem sendet. Somit kann man die Rennen dennoch live schauen und sieht, welches Team in Führung liegt. Eine Fachperson vor Ort wird kommentieren.
Eine Art Segelunterricht an einem internationalen Wettkampf. Braucht es auch darum einen solch grossen Anlass?
Ja genau, aber uns geht es auch um die Ausstrahlung nach aussen für die Region. Mit dieser Weltmeisterschaft bringen wir Menschen hierher, welche noch nie in der Schweiz waren, aber immer kommen wollten. Wir sind überzeugt, dass wir bei den Besuchenden und bei den Einheimischen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen werden.
Was sagen Sie zu Vorurteilen wie: Segeln ist teuer und elitär, in der Schweiz kannst du keine Segelkarriere machen, man muss fürs Segeln ein eigenes Boot besitzen?
Wegen der knappen Bootsplätze ist es nicht für alle möglich, ein eigenes Boot zu besitzen. Es gibt auf allen Schweizer Seen Bootsharing-Angebote (also Segelboote zum Teilen, Anm. d. Red.), welche es möglichst vielen Menschen ermöglichen soll, sich auf dem Wasser mit der Windkraft fortzubewegen. Praktisch jede Gemeinde hat einen Fussballclub, welchem die Infrastruktur teilweise auf Gemeindekosten zur Verfügung gestellt und unterhalten wird. Wenn im selben Ausmass, auch durch Steuergelder, Bootshäfen, Wasserungsrampen und Infrastrukturen zur Verfügung gestellt werden würden, wäre nicht nur das Platzproblem geringer, sondern auch die Fixkosten wie etwa die Miete kleiner. Segeln ist nämlich auch ein Teamsport.
Wie viele Segler gibt es in der Schweiz?
In der Schweiz gibt es rund 28 000 Seglerinnen und Segler, welche aktiv in einem Club sind. Sämtliche Clubs von Windwassersportarten sind unter dem Dachverband Swiss Sailing organisiert. Die grösseren Seen in der Schweiz eignen sich bestens, um auf einem Segelschiff oder Motorboot Ferien zu machen und die Ufer zu erkunden. Die Professionalität im Segelsport hat zwar erst in den letzten Jahren auch in der Schweiz Einzug gehalten. Aber vermehrt werden auch im Breitensport Spesenentschädigungen oder sogar Löhne gezahlt.
Warum ist Segeln eine Randsportart?
Ich denke, es gibt viele Gründe, warum Segeln eine Randsportart ist. Auf der einen Seite sicherlich wegen des Platzangebotes in den Häfen und weil das Sportgerät komplexer ist als ein Hockeystock oder ein Ball. Der Aufwand ist um ein Vielfaches höher, da das Schiff vorbereitet werden muss, bevor man aus dem Hafen fahren kann. Schliesslich ist es aber doch schön, dass wir in der Schweiz eine so grosse Vielfalt an Sportmöglichkeiten haben.
Segeln gleich Alinghi. Aber was viele nicht wissen: Christian Zuerrer, Sie sind ja selbst schon Weltmeister.
Alinghi hat mit dem Sieg am America’s Cup sicherlich den Segelsport in das Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung katapultiert. Leider ist aber der Fokus der Medien nur auf Alinghi, obwohl es sehr viele erfolgreiche Segler und Segelteams in der Schweiz gibt. Der Gewinn unseres Weltmeistertitels mit dem «Black Star Sailing-Team» 2022 in Portugal auf dem GC32- Katamaran war vielerorts nicht einmal eine Randnotiz in den lokalen Medien wert. Aber darum geht es uns nicht. Wir versuchen die Wettkämpfe nicht für die Medien zu gewinnen, sondern um uns als einzelne Person und als Team weiterzuentwickeln und auch den Sport in der Schweiz weiterzubringen.
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